Impuls zum 3. Advent
Warten auf Weihnachten
von Pfarrer André Pollmann

Warten auf Weihnachten
Die Adventszeit ist in unserer Zeit ziemlich aus der Mode gekommen. Die meisten Menschen sprechen eher von der „Vorweihnachtszeit“. Weihnachten ist zu einem Ereignis geworden, dass sich über Wochen erstreckt und an Heilig Abend seinen Höhepunkt erreicht. Der Advent dagegen übt uns in der Geduld, nicht zu früh mit dem Feiern der Geburt Christi anzufangen und die Geschenke vorzeitig auszupacken, obwohl uns in den Geschäften schon überall »Frohe Weihnachten« entgegenschallt. Christus ist ein Geschenk, und Geschenke achtet man, indem man auf den Moment wartet, in dem sie überreicht werden.
Dieses Warten ist aber nicht bloße Passivität. Das lateinische Wort für »warten«, attendere, bedeutet, sich nach vorn auszustrecken. Wir tun es, indem wir uns öffnen auf das, was kommen wird, wie eine Mutter, die sich auf die Geburt ihres Kindes vorbereitet.
Warum gehört das Warten eigentlich so sehr zum Christsein? Warum kann uns Gott nicht einfach jetzt geben, wonach wir uns sehnen: Frieden in der Welt, Gerechtigkeit für die Armen und vollkommenes Glück für alle? 2000 Jahre sind vergangen seit der Auferstehung, und wir warten immer noch auf das Reich Gottes. Warum?

Ein Grund dafür, warum Gott so viel Zeit braucht, ist, dass er kein Gott im üblichen Sinne ist. Unser Gott ist nicht mächtig, kein himmlischer Supermann, der von außen in unsere Welt hereinplatzt, um uns zu retten. Gott kommt von innen, in unserer tiefsten Innerlichkeit. Er ist uns, wie der Kirchenvater Augustinus sagt, näher, als wir uns selbst sind, oder, wie der Koran schreibt, näher als unsere Halsschlagader.
Gott kommt zu uns, wie ein Kind zu einer Mutter kommt, in der Tiefe ihres Seins und sie langsam verwandelnd. Alles andere wäre reine Gewalt.
Als körperliche Wesen leben wir in der Zeit. So wie es neun Monate für eine Schwangerschaft braucht, braucht es seine Zeit, damit ein gebrochener Knochen wieder zusammenwächst und Fieber abklingt. Heilen und Wachsen brauchen Zeit. Wir brauchen Geduld, weil Gott nicht als äußerer Akteur zu uns kommt, sondern in der tiefsten Intimität unseres körperlichen Seins, das in der Zeit lebt. Wir Menschen unterscheiden uns von anderen Lebewesen darin, dass wir so lange brauchen, um heranzuwachsen und zu reifen.
Unsere Hoffnung liegt auf dem Gott, der Mensch wird und der den Rhythmus unseres Lebens achtet. Wir dürfen hoffen, dass er auch heute in unser Leben kommt. Das macht unser Warten, das Noch-Nicht erträglich.
Ihnen allen einen hoffnungsvollen 3. Advent!
Pfarrer André Pollmann
